„You are all different“

we-all-differentAls ich 11 Jahre alt war, kam ich mal mit einem Nightwish-Shirt in die Schule. Ich bin kein sonderlich aufmerksamer Mensch, also sind mir die geschockten Blicke von Lehrern und Mitschülern einfach entgangen. Erst als mich später ein Mädchen aus der Parallelklasse vorsichtig fragte, ob ich eine Satanistin bin, wurde mir klar – huch, da hat wohl wer Anstoß an meinem Aussehen genommen. 

Das sollte nicht das letzte Mal sein, dass ich für meine Kleider- und allgemeine Aussehenswahl komisch angeguckt wurde. Ich schreibe dies, während meine Haare so grün wie Seetang sind. Ich hatte nie ein Problem damit, angestarrt zu werden. Ich dachte mir nur: wenn man etwas interessant findet, will man es auch auch ansehen. Wie soll sich denn die Mona Lisa fühlen? Was mich immer gestört hat, war die Wertung durch Blicke, Worte und Gesten. Manche Erwachsenen schauen einen an, als würde man sie im selben Moment mit einer Farbflasche angreifen oder versuchen, ihnen mit Gewalt Bandshirts anzuziehen. 

Jeder kann von mir aus tragen was er will, ich zwinge niemandem mein „alternatives“ Aussehen auf. Komischerweise wird mir und allen anderen Sonderlingen aber konstant ein „normales“ Aussehen aufgezwungen. Und das nicht nur privat, sondern auch auf professioneller Basis. 

Ich muss noch heute, 2014, meinen Chef fragen, wenn ich mir die Haare knallrot oder gar blau färben will. Jeder Sonderling wurde bestimmt schon mal gefragt, wie er denn plant mit Piercings oder Tattoos einen Job zu finden. Ich habe beides und hatte bis dato kein Problem damit, angestellt zu werden. „Das sehen die meisten Leute halt nicht so gerne.“, habe ich oftmals gehört, wenn ich mich beschwert habe, wieso es die Qualität des Services denn verändert wenn das Personal ein Tattoo oder bunte Haare hat. 

Farbe, Tattoos und Piercings – für manche Menschen ist das Teil ihrer Identität, sie fühlen sich ohne diese Dinge nackt. Wieso geht der Komfort der „normalen“ Menschen vor? 

Und was soll überhaupt diese Einteilung in „normal“ und „sonderbar“? Uns wird von der Geburt an gesagt, dass wir Individuen sind. Wir sind einzigartig und das ist auch gut so. Wieso erzählen wir unseren Kindern das, wenn wir den Rest ihres Lebens damit verbringen, ihnen zu sagen, sie sollen sich „normal“ verhalten und „normal“ anziehen? Seien wir doch mal ehrlich, für die meisten Leute endet das Recht auf Individualität ihrer Mitmenschen dort, wo sie diese nicht mehr als ästhetisch anssprechend empfinden. 

Wieso dürfen unsere Mitmenschen überhaupt mitentscheiden dürfen, wie wir uns ausdrücken und der Welt zeigen? Wenn mich jemand für meine Klamotten verurteilt sage ich immer. „Tja, dann musst du es ja nicht tragen.“ Und das ist genau der Punkt. Inwiefern verletze ich jemand anderen, wenn ich meine Haare grün färbe und nur noch schwarz trage? Dagegen verletzt es mich schon etwas, wenn man mir an den Kopf wirft, ich würde nur zur Putzfrau taugen, wenn ich mich weiterhin so kleide und weiterhin so aussehe. 

Das Grundprinzip der Menschlichkeit besagt, dass man niemandem absichtlich Schaden zufügen soll. Alles innerhalb dieses Kreises empfinde ich als absolut in Ordnung. 

Vielleicht können manche Menschen ihren eigenen Wert nur erkennen, wenn sie den anderer Menschen zunichte machen. Und das ist einfach nur sehr, sehr traurig.

Ein Gedanke zu “„You are all different“

  1. Hat dies auf MARGY 's Blog rebloggt und kommentierte:
    Was ist denn hier los? Da bemüht sich ein Mädchen anders zu sein, also eine Identität zu finden und wird von anderen dafür ausgeschlossen, also an der vollen gleichberechtigten Teilhabe gehindert.
    Sie wird behindert.
    So blöd sich das anhört. Sie wäre eine Behinderte im Sinne des Abschnitts e der Präambel der Behindertenrechtskonvention.
    (Präambel der Behindertenrechtskonvention (BRK)
    e) In der Erkenntnis, dass das Verständnis von Behinderung sich ständig weiterentwickelt und dass Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern).

    Nur dass der Ausgangspunkt der Behinderung nicht durch das IX, Buch SGB begründet ist sondern durch die Individualität.
    Das ändert nichts an der Tatsache, dass sie behindert wird.

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