Meine Mutter sagt gerne und oft, ich hätte einen „trockenen“ Humor. Ich möchte natürlich denken, dass sie damit meint, es würde kein Auge trocken bleiben wenn ich einen Witz erzähle, aber ich kenne sowohl sie als auch mich selbst zu gut. Hier ist nämlich die kniffelige Sache an Humor: zwei verschiedene Menschen werden selten das exakt selbe lustig finden und es gibt tatsächlich sogar Menschen, die selbst zugeben, dass sie keinen Humor haben. Der selbe Scherz wird das eine Publikum zum Ausrasten bringen, während das nächste Publikum einen vielleicht mit faulen Tomaten bewirft. So oder so ähnlich.
Und weil jeder etwas anderes lustig findet und wir alle irgendwie Individuen sind, stellt sich oftmals die Frage, was man als Humor bezeichnen kann und was nicht. Wir leben in einer Zeit, in der sich alte Vorurteile gegenüber Minderheiten (seien es nun Immigranten, Frauen oder Homosexuelle) langsam aufzulösen scheinen und immer mehr Menschen Witze auf deren Kosten zu unterbinden versuchen.
Ich habe mich vor einiger Zeit bereits in „Wie viel bedeuten Worte?“ mit schwulen- und behinderten-feindlichen Beschimpfungen auseinandergesetzt. Hier möchte ich gerne etwas erweitern. Ich empfinde jede Beschimpfung aufgrund von (insbesondere unveränderlichen) Merkmalen an einem Menschen als absolut inakzeptabel. Ob es nun um Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe, Nationalität oder körperliche Fähigkeiten oder Unfähigkeiten geht – nichts davon sollte als Beschimpfung durchgehen. Es ist nichts beleidigendes als ein „Mädchen“ bezeichnet zu werden, es sind nicht alle Immigranten kriminelle, wer neben einem Polen wohnt, muss keine Angst um sein Auto haben und ein Mädchen mit Kurzhaarschnitt ist keine „Kampflesbe“. Worte haben eine große Bedeutung und können verletzender sein als Schwerter. Und nur weil man etwas im Scherz sagt, bedeutet das nicht, dass es nicht verletzend oder sogar irgendwie irgendwo unterbewusst sogar ernst gemeint ist.
Jeder Witz hat einen Ursprung. Und meist ist dieser Ursprung, je nach Opfer, rassistisch, sexistisch oder homophob geprägt. Wieso bezeichnet man zum Beispiel einen schwachen Jungen als Mädchen? Klar – Sexisten propagieren noch heute, Mädchen seien grundsätzlich schwächer und fragiler als Jungs. Kompletter Unsinn, wenn man betrachtet dass kein Mensch dem nächsten gleicht, aber hey – Sexismus hat noch nie auf Logik basiert. Das bedeutet dass ich es natürlich nicht witzig finde, wenn man mir einredet ich könne etwas schlechter oder nicht aufgrund der Genitalien mit denen ich geboren wurde. Dass es „doch nur ein Witz war“ und dass ich „mal chillen soll“ macht es auch nicht besser. Was ist schlimmer als ein unsensibler Witz? Eingeredet zu bekommen, dass man übertreibt und nicht das Recht hat, sich zu beschweren. Es war doch nur ein Witz. Sind die Gefühle des „Angegriffenen“ weniger wichtig als eine gute Pointe?
Uhohbro ist auf YouTube ein in vielerlei Hinsicht kontroverser Channel. Greg oder auch Onision, der Betreiber des Channels, ist der festen Überzeugung, dass im Kontext von Comedy alles erlaubt ist. Er sagt: „Offensive jokes make up a good bit of my channel…comedy in general. Comedy is comedy, not meant to hurt, just laugh at.“ Er nennt neben zahlreichen anderen Comedians auch Family Guy-Macher Seth McFarlane als Einfluss. Die Serie hat gute Einschaltquoten und schreckt auch nicht vor sensiblen Themen wie zum Beispiel Pädophilie, dem Holocaust oder Vergewaltigung zurück, um ihre Zuschauer schockierend zu amüsieren. Gregs Uhohbro-Channel ist mit mehr als 830.000 Abonnenten zwar kein Vergleich zu YouTube-König Pewdiepie, hat aber dennoch eine ziemlich große Reichweite. Greg erklärt, dass man Witze auf die leichte Schulter nehmen soll, weil sie nicht mehr sind als das – nur Witze.
Ist es wirklich so einfach? Ist ein Witz tatsächlich nur ein Witz und darf so schmutzig, unsensibel und unpassend sein, wie er will, da es ja nicht ernst gemeint ist? Ich denke nicht. Es kommt, wie immer, auf das Publikum an. Wer in einem Raum voller heterosexueller Männer einen Frauenwitz erzählt, wird wohl bessere Reaktionen bekommen, als wenn er das selbe vor einer Gruppe Frauen macht. Was mich am meisten an dieser „nimm’s locker“-Einstellung stört, ist dass Menschen, die etwas gegen offensichtlich verletzende und unangebrachte Witze sagen, als Spielverderber bezeichnet werden. Ich empfinde es als beleidigend gesagt zu bekommen, ich solle mich beruhigen und „es einfach zulassen“, wenn Bekannte homophobe oder sexistische Witze machen. Was ist denn mit den Beistehenden? Dürfen die sich nicht beschweren, wenn ein blöder Witz sie verletzt hat? Es sieht so aus als wäre ein Witz für viele Menschen nur die Absolution, so gemein und diskriminierend sein zu dürfen, wie sie wollen.
Wenn man nun sagt: nein, es ist nicht in Ordnung, alles zu sagen, was man will und es als Witz zu kaschieren! Glückwunsch, du hast eine Seele. Wie soll man aber als Witz getarnte Diskrimination stoppen? Hier ist das große Problem – dafür gibt es leider keine wahre Lösung, ähnlich wie es für Sexismus, Rassismus und Homophobie keine einfache Lösung gibt. Man könnte versuchen, diskriminierendes Material wie Family Guy zu zensieren, aber macht es das nicht umso schlimmer? Menschen sollte nicht verboten werden, etwas Negatives zu konsumieren, stattdessen sollte man sie darüber informieren, wieso es negativ ist und derartiges Verhalten bestrafen. Also lacht nicht, wenn euer Kollege euch einen rassistischen Witz erzählt. Gebt der Person an der Bushaltestelle kein High Five dafür, dass er einen 13-jährigen Jungen eine „Schwuchtel“ nennt. Gratuliert nicht den Typen an der Bar, die vorbeiziehende Mädchen von 1-10 bewerten. Seid nicht diese Leute. Ihr seid so viel besser.