Wo endet Humor?

Meine Mutter sagt gerne und oft, ich hätte einen „trockenen“ Humor. Ich möchte natürlich denken, dass sie damit meint, es würde kein Auge trocken bleiben wenn ich einen Witz erzähle, aber ich kenne sowohl sie als auch mich selbst zu gut. Hier ist nämlich die kniffelige Sache an Humor: zwei verschiedene Menschen werden selten das exakt selbe lustig finden und es gibt tatsächlich sogar Menschen, die selbst zugeben, dass sie keinen Humor haben. Der selbe Scherz wird das eine Publikum zum Ausrasten bringen, während das nächste Publikum einen vielleicht mit faulen Tomaten bewirft. So oder so ähnlich.

Und weil jeder etwas anderes lustig findet und wir alle irgendwie Individuen sind, stellt sich oftmals die Frage, was man als Humor bezeichnen kann und was nicht. Wir leben in einer Zeit, in der sich alte Vorurteile gegenüber Minderheiten (seien es nun Immigranten, Frauen oder Homosexuelle) langsam aufzulösen scheinen und immer mehr Menschen Witze auf deren Kosten zu unterbinden versuchen.

Ich habe mich vor einiger Zeit bereits in „Wie viel bedeuten Worte?“ mit schwulen- und behinderten-feindlichen Beschimpfungen auseinandergesetzt. Hier möchte ich gerne etwas erweitern. Ich empfinde jede Beschimpfung aufgrund von (insbesondere unveränderlichen) Merkmalen an einem Menschen als absolut inakzeptabel. Ob es nun um Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe, Nationalität oder körperliche Fähigkeiten oder Unfähigkeiten geht – nichts davon sollte als Beschimpfung durchgehen. Es ist nichts beleidigendes als ein „Mädchen“ bezeichnet zu werden, es sind nicht alle Immigranten kriminelle, wer neben einem Polen wohnt, muss keine Angst um sein Auto haben und ein Mädchen mit Kurzhaarschnitt ist keine „Kampflesbe“. Worte haben eine große Bedeutung und können verletzender sein als Schwerter. Und nur weil man etwas im Scherz sagt, bedeutet das nicht, dass es nicht verletzend oder sogar irgendwie irgendwo unterbewusst sogar ernst gemeint ist.

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Jeder Witz hat einen Ursprung. Und meist ist dieser Ursprung, je nach Opfer, rassistisch, sexistisch oder homophob geprägt. Wieso bezeichnet man zum Beispiel einen schwachen Jungen als Mädchen? Klar – Sexisten propagieren noch heute, Mädchen seien grundsätzlich schwächer und fragiler als Jungs. Kompletter Unsinn, wenn man betrachtet dass kein Mensch dem nächsten gleicht, aber hey – Sexismus hat noch nie auf Logik basiert. Das bedeutet dass ich es natürlich nicht witzig finde, wenn man mir einredet ich könne etwas schlechter oder nicht aufgrund der Genitalien mit denen ich geboren wurde. Dass es „doch nur ein Witz war“ und dass ich „mal chillen soll“ macht es auch nicht besser. Was ist schlimmer als ein unsensibler Witz? Eingeredet zu bekommen, dass man übertreibt und nicht das Recht hat, sich zu beschweren. Es war doch nur ein Witz. Sind die Gefühle des „Angegriffenen“ weniger wichtig als eine gute Pointe?

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Uhohbro ist auf YouTube ein in vielerlei Hinsicht kontroverser Channel. Greg oder auch Onision, der Betreiber des Channels, ist der festen Überzeugung, dass im Kontext von Comedy alles erlaubt ist. Er sagt: „Offensive jokes make up a good bit of my channel…comedy in general. Comedy is comedy, not meant to hurt, just laugh at.“ Er nennt neben zahlreichen anderen Comedians auch Family Guy-Macher Seth McFarlane als Einfluss. Die Serie hat gute Einschaltquoten und schreckt auch nicht vor sensiblen Themen wie zum Beispiel Pädophilie, dem Holocaust oder Vergewaltigung zurück, um ihre Zuschauer schockierend zu amüsieren. Gregs Uhohbro-Channel ist mit mehr als 830.000 Abonnenten zwar kein Vergleich zu YouTube-König Pewdiepie, hat aber dennoch eine ziemlich große Reichweite. Greg erklärt, dass man Witze auf die leichte Schulter nehmen soll, weil sie nicht mehr sind als das – nur Witze.

Ist es wirklich so einfach? Ist ein Witz tatsächlich nur ein Witz und darf so schmutzig, unsensibel und unpassend sein, wie er will, da es ja nicht ernst gemeint ist? Ich denke nicht. Es kommt, wie immer, auf das Publikum an. Wer in einem Raum voller heterosexueller Männer einen Frauenwitz erzählt, wird wohl bessere Reaktionen bekommen, als wenn er das selbe vor einer Gruppe Frauen macht. Was mich am meisten an dieser „nimm’s locker“-Einstellung stört, ist dass Menschen, die etwas gegen offensichtlich verletzende und unangebrachte Witze sagen, als Spielverderber bezeichnet werden. Ich empfinde es als beleidigend gesagt zu bekommen, ich solle mich beruhigen und „es einfach zulassen“, wenn Bekannte homophobe oder sexistische Witze machen. Was ist denn mit den Beistehenden? Dürfen die sich nicht beschweren, wenn ein blöder Witz sie verletzt hat? Es sieht so aus als wäre ein Witz für viele Menschen nur die Absolution, so gemein und diskriminierend sein zu dürfen, wie sie wollen.

Wenn man nun sagt: nein, es ist nicht in Ordnung, alles zu sagen, was man will und es als Witz zu kaschieren! Glückwunsch, du hast eine Seele. Wie soll man aber als Witz getarnte Diskrimination stoppen? Hier ist das große Problem – dafür gibt es leider keine wahre Lösung, ähnlich wie es für Sexismus, Rassismus und Homophobie keine einfache Lösung gibt. Man könnte versuchen, diskriminierendes Material wie Family Guy zu zensieren, aber macht es das nicht umso schlimmer? Menschen sollte nicht verboten werden, etwas Negatives zu konsumieren, stattdessen sollte man sie darüber informieren, wieso es negativ ist und derartiges Verhalten bestrafen. Also lacht nicht, wenn euer Kollege euch einen rassistischen Witz erzählt. Gebt der Person an der Bushaltestelle kein High Five dafür, dass er einen 13-jährigen Jungen eine „Schwuchtel“ nennt. Gratuliert nicht den Typen an der Bar, die vorbeiziehende Mädchen von 1-10 bewerten. Seid nicht diese Leute. Ihr seid so viel besser.

 

Das Leid des Bücherwurms

Ich war 12 Jahre alt, als ich zum ersten Mal realisierte, dass ich vielleicht ein Sonderling bin. Ich saß in meiner typischen Tetris-L Form (Beine ausgestreckt und gerader Rücken) eingeklemmt zwischen zwei Schließfachreihen. Es hatte soeben zur großen Pause geklingelt und ich jonglierte wenig geschickt eine Käsenlaugenstange in der einen, und ein Buch in der anderen Hand. Ich hatte das Buch erst gestern Abend in der extensiven Bücherei meiner Mutter entdeckt und konnte es kaum erwarten, herauszufinden, worum es ging. Das Cover schmückte eine Möwe im freien Flug in einem azurblauen Himmel. Ich war ein simples Kind und alleine schon der Fakt, dass es in der Geschichte um eine Möwe ging, ein Lebewesen, das ich nicht unbedingt als einen idealen Protagonisten für tiefgreifende Thematiken hielt, machte mich neugierig. Um mich herum füllten sich langsam die Gänge mit lärmenden und tobenden Schülern aller Klassenstufen.

Ich hatte mir extra einen stillen, dunklen Fleck gewählt, um nicht gestört zu werden aber natürlich standen nach nur wenigen Minuten drei Klassenkameraden vor mir, die mich entsetzt betrachteten. Ich berührte nervös mein Gesicht da ich ihre Blicke als Ekel interpretierte. Hatte ich mein Gesicht verschmiert? Ich tastete fix meine Nase, Stirn und meinen Mund ab. Nein…alles schien ok. Wieso starrten sie also so? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Schaut mal, sie liest ein Buch!“, feixte die erste. Die Mädchen murmelten etwas unkenntliches vor sich hin. „Äh ja.“, stammelte ich und fixierte mein Buch in der Hoffnung, sie würden mich nach dieser Feststellung einfach in Ruhe lassen. Aber dieser Artikel wäre ja völlig ohne Sinn, wenn das tatsächlich passiert wäre. Stattdessen fragte die Zweite: „Was liest du?“ Ich antwortete nicht und hob ihr stattdessen das Cover vor die Nase. „Die kleine Möwe Jonathan…“, las sie vor. Ein Vierter gesellte sich zu der neugierigen Truppe und brach sobald er mich sah in Lachen aus. „Typisch! Sie kann nur lesen!“ Die anderen drei stimmten in das Lachen mit ein. „Hast du nichts besseres zu tun?“ „Dir fallen ja bald die Augen aus!“ Sie verließen mich mit einem wissenden Kopfschütteln und ich beschloss, ab jetzt mit dicken Stereokopfhörern zu lesen. Wenn das nicht die Nachricht sendet, dass ich allein gelassen werden will, dann weiß ich auch nicht.

Der Sinn dieser Anekdote war, dass ich mir seitdem folgende Frage stellte: wieso hielten mich meine Klassenkameraden für sonderbar, weil ich in der Pause lieber las, als mit anderen Menschen zu sprechen? Ignorieren wir mal meine vielmals erläuterte Misanthropie; ich empfand Lesen schlichtweg als unterhaltsam. Ich bin in einem Haus voller Bücher und mit einer Mutter aufgewachsen, die mir jeden Abend vorgelesen hat, lange bevor ich selbst lesen konnte. Lesen war in unserem Haushalt immer ein Hobby, ähnlich wie es bei anderen Familien Wandern oder Fußball gucken war. Ich empfand es also als nichts seltsames, Stunden mit einem Buch zu verbringen. Diese Begegnung war das erste Mal, das ich zu überlegen begann, ob es nicht doch etwas Sonderbares war. Hätte ich als Kind nicht mehr Freude am Klettern und Spielen haben sollen?

Im Unterricht wurde meine Befürchtung, dass Spaß am Lesen etwas Absurdes ist, noch bestärkt. Wir fingen alsbald damit an, im Deutsch- und Englischunterricht Lektüren zu lesen. Ich liebte die dünnen, geschickten Reclam-Heftchen, denn sie passten problemlos in meine Jackentasche, im Gegensatz zu einem dicken Wälzer. Meine Mitschüler sahen das anders. „Wieso sollen wir das lesen?“ „Das interessiert doch niemanden!“ „Wer ist Friedrich Schiller?“ Die Klasse verbündete sich gegen die Lehrer und forderten die Filmversionen der Literatur. „Film ist viel moderner!“, argumentierten sie. Unsere Deutsch-Lehrerin schüttelte verzweifelt den Kopf und ich stimme mental mit ein.

Heute sitze ich in der Bücherei, Abteil Vergleichende Literaturwissenschaft und stelle mir die selbe Frage wie damals mit 13 – wieso werden wir Bücherwürmer für unsere Passion ausgelacht? Wem schadet man denn, wenn man lieber Nietzsche liest, als Völkerball zu spielen? Manchmal denke ich, dass das Ganze lieber dumm und vollständig bleibt. Ich war nicht Teil der Gruppe, weil ich meinen eigenen Interessen nachgegangen bin. Während sich die Gruppe gemeinsam über die Lektüren beschwert haben, habe ich dieselben gelesen. Macht man sich zum Außenseiter, indem man seine Bildung der Gruppe vorzieht? Ich war immer ein Außenseiter, weil ich meine Hobbys verfolgte, auch wenn niemand sonst sie als interessant empfand. Wenn ich etwas machen wollte, was niemand anders machen wollte, tat ich es einfach trotzdem alleine, statt mich der Mehrheit anzuschließen.

Der Konflikt Individuum gegen Gruppe ist über die Grenzen des Lesens und Ballspielens eine Frage der Priorität. Will ich mein eigenes Ding machen und riskieren, den Anschluss zu verlieren und völlig alleine zu sein oder gebe ich meine individuellen Wünsche auf, um in die Sicherheit und Zusammengehörigkeit der Gruppe integriert zu werden? Ich stand damals, wie auch heute auf der Seite der Außenseiter und ich würde nichts daran ändern. Vielleicht könnte ich ja einen Buchclub gründen. Und unsere erste Lektüre wird „Die kleine Möwe Jonathan“.

Die moralische Frage nach dem ersten Stein

Ich gebe es zu. Ich, die industrieprinzessin, 20 Jahre alt, geboren in Stuttgart bewerte Menschen nach dem ersten Eindruck. Das klingt jetzt natürlich nicht nach einem bahnbrechenden Geständnis, aber hier ist die ganze Wahrheit: auch wenn es heißt, dass man ein Buch nicht nach seinem Einband beurteilen soll, so sagt der Einband meist alles, was es zu sagen gibt. Wir Menschen halten uns selbst gerne für mysteriöser als wir es tatäschlich sind, aber es bedarf keinen Psychologen, um tagtägliche Verhaltens- oder Ausdrucksweisen von Menschen auszuwerten.

Ich stand letzt das erste Mal seit langer, langer Zeit wieder in der Schlange bei McDonald’s. Ich gehe selten dort hin, zum einen, weil ich diese Vegetarier-Sache mit voller Kraft anzupacken versuche (ja, wirklich!), die Mitarbeiter, egal wie lang ihre prachtvollen Haare sind, keine Haarnetze tragen und auch, wenn der konstante Gestank aus Fett und Schweiß wirklich, ja wirklich appetitlich ist, so bewahre ich mir lieber meine Gesundheit und schneide nicht weitere 10 Jahre von meiner Lebenszeit ab, indem ich mir einen Big Mac genehmige.

Auf jeden Fall stehe ich da und versuche konzentriert die fettleibige Frau vor mir mit ihrem ebenfalls fettleibigen Kind zu ignorieren. Im Gegensatz zu mir, die ich geplant hatte, mir einen McFlurry zu holen und dann zu Gott zu beten, dass ich darin keine Hühnerknochen finde (na, wisst ihr aus was Chicken McNuggets gemacht werden?), versorgt die Kundin vor mir sich und ihr hechelndes Kind mit genug Kalorien um ein kleines Raumschiff anzutreiben. „Kevin, willst du noch ein Eis dazu?“, brummt Mama Bär. Baby Bär quiekt vergnügt auf und irgendwie fühle ich mich bei all dem Glück fast schlecht, meinen Kopf zu schütteln. Ich tue es aber trotzdem. Wieso?

Weil ich es verantwortungslos finde, einem Kind gute Ernährung aus Faulheit oder Zeitmangel vorzuenthalten. Bis zu einem bestimmten Alter hat ein Kind keine Wahl wenn es um seine Mahlzeiten geht. Ich wurde bis zu meinem 16. Lebensjahr nicht alleine in die Küche gelassen. Das bedeutet, dass ein Kind bis zu diesem Zeitpunkt, komplett der lebensmitteltechnischen Willkür seiner Eltern ausgesetzt ist. Und diese verwenden ihre Macht, wie in dem Fall hier, nicht immer für das Gute.

Die wenigsten Kinder werden, wenn man sie fragt, ob sie ein Eis wollen, nein dazu sagen. Noch weniger Kinder werden sich gegen ein Happy Meal wehren. Man kann von Kindern nicht erwarten, dass sie sich mit Ernährung auseinandersetzen, von ihren Eltern aber schon. Klar ist es nicht schlimm wenn man sich und seinen Kindern dann und wann eine ungesunde Mahlzeit gönnt. Ich stand ja selbst in der Schlange um mir eine Kalorienbombe zu gönnen. Aber wenn ich mir so dieses Kind ansah, höchstens 10, vier Köpfe kleiner als ich aber definitiv schwerer als ich…Ist das noch gute Erziehung? Ist es fair dem Kind gegenüber, seine Ernährungserziehung in die Hände von Menschen zu legen, die fest davon überzeugt sind, dass Ketchup Gemüse ist?

Wie man vielleicht an meinem liebevollen Gezetere erkennen kann, war diese Frau automatisch für mich auf der Shit List. Also schüttelte ich nur meinen Kopf und bedauerte das Kind um seine folgenden Gesundheitsprobleme und potenzielle Diabetes weil Mama sich zu schade ist, daheim Spinat zu machen.

Noch eine gut gemeinte Anekdote aus dem Bereich Aussehen: als arme Studentin kann ich mir natürlich kein Auto leisten, also verbringe ich mindestens 30 Minuten pro Tag in einem Zug. Ich bin kein Fan von Zügen, alleine schon deswegen, weil ich scheinbar die Art von Gesicht habe, die Fremde dazu einlädt, sich neben mich zu setzen, auch wenn der Zug leer ist.
Mir begegnen täglich die verschiedensten Menschen und mich stört theoretisch niemand. Ich erinnere mich noch an eine Zeit, in der vermeintlich coole Kids ihren Gangsterrap laut auf ihren Klapphandys abgespielt haben, aber scheinbar wohne ich in einer Gegend, in der das nicht mehr gängig ist (ein großes „hurrah!“ dafür).

Wenn ich eine Art von Mensch wählen müsste, die mich stört, wären das nicht die Gruftis mit tiefschwarz untermalten Augen oder die Omis, die freudig mit mir reden, während ich doch nur Musik hören will.
Was mir rein ästhetisch stört sind die Jungs mit Hosen, die trotz Gürtel auf kniehöhe hängen, Baseballcaps mit Aufschriften wie „swag“ oder „Chicago Bulls“ tragen (schnelles Quiz für alle die das hier lesen und solche Kappen tragen: wisst ihr, was für einen Sport die Bulls betreiben? Na?) und dann konstant einen Gesichtsausdruck zur Schau tragen, der mich am ehesten an eine offene Thunfischdose erinnert (ein Mundwinkel hoch, ein Mundwinkel runter und die Augen zugekniffen). Wenn dann noch platte Anmachen von diesen Herren kommen oder sie sich lauthals über die „geilen chicks“ unterhalten, die sie letztes Wochenende aufgerissen haben, kann ich wieder nur feste mit den Augen rollen.

Diese Art von Jungs (das Wort „Mann“ will ich gar nicht erst in den Mund nehmen) schreit vor allem eins: winzig kleine Egos, die mit Marken und einem großen Mundwerk aufpoliert werden sollen. Als jemand, der fest daran glaubt, dass Dankbarkeit und Bescheidenheit zwei unandingbar wichtige Säulen eines starken Rückgrads sind, kann ich mit Prolls einfach nichts anfangen; vielmehr widersprechen sie sogar all meinen Idealen. Also reagiere ich auch nur mit einem verächtlichen Schnauben wenn einer dieser Machos mich auf Gras und „’ne Pulle Wodka-Bull, alda!“ zu sich nach Hause einlädt.

Es liegt in der Natur des (westlichen) Menschen, andere zu beurteilen. Vielleicht liegt das zu großen Teilen daran, wie gut es uns geht. Deutschland ist, auch wenn es hier und da seine Probleme hat, ein recht komfortables Land, in dem selbst Niedrigverdiener und Kinder sich iPhones leisten können. Der Kapitalismus lehrt uns vor allem eines – wir sollen uns nicht nur dessen bewusst sein, was wir haben, sondern auch dessen, was andere haben. Es gibt einen Spruch der besagt, man solle nur auf den Teller seines Nachbarn schauen um sicher zu stellen, dass er genug hat. Der Vergleich mit allen Menschen und der Neid auf den wohlmöglich größeren Besitz des Nachbarn zerstört die Dankbarkeit für die Dinge, die man selbst hat. Kein Mensch möchte sich unterlegen fühlen und vergisst dabei, dass ein menschliches Leben nicht auf einen Blick messbar ist.

Seien wir mal ehrlich – wenn wir die Frau an der McDonald’s Kasse oder den machohaften Clown in der S-Bahn beurteilen, dann stellen wir doch eigentlich nur einen Vergleich mit uns selbst an. „Das würde ich nie tun.“, „So würde ich mich nie anziehen“ oder „So würde ich mich nie benehmen“ sind letzen Endes nur Codes für „Ich bin besser/schöner/schlauer als du“. Selbstbewusstsein und Dankbarkeit meiden den Vergleich. Man kann auch mit anderen Dingen schöner seine Zeit verschwenden.

Geschichten vom Erwachsen werden (Teil 1 von ?)

Seit ich ein Kind bin, habe ich vom Erwachsensein geträumt. Ich schätze, ich unterscheide mich in diesem Punkt nicht von anderen Kindern.
Wenn man jung ist, wirkt alles irgendwie ein wenig dramatischer und so kann man nicht umher, bei den kleinsten Schwierigkeiten nach einem Fluchtweg zu suchen. Für ein Kind ist die einzig wahre Zuflucht seine Fantasie. Ich habe Jahre lang nur in meinem eigenen Kopf gelebt und ich bin mir recht sicher, dass ich es auch heute noch zu großen Teilen tue. Wer sagt denn, dass ein Leben nur wertvoll ist, wenn es real ist?

Irgendwann kam der Tag der Volljährigkeit. Um ehrlich zu sein, hätte ich niemals gedacht, dass es tatsächlich mal so weit sein würde. Man reißt die Kalenderblätter ab und streicht Wochentage durch und plötzlich…ist eigentlich nichts wirklich anders.
Ich habe damals in meinen 18. Geburtstag hineingefeiert. Das war nicht wirklich meine Entscheidung; meine Mutter wollte an meinem „richtigen“ Geburtstag zuhause eine Feier veranstalten, während ich viel lieber nur mit Freunden einen trinken gehen wollte. Meine Mutter bekam ihren Willen und so leutete ich am 06. Januar 2012 um 23:59 Uhr das Ende meiner Minderjährigkeit ein.

Ein Teil von mir hat erwartet, dass ich mich irgendwie anders fühlen würde, dabei hat sich aber eigentlich nichts verändert. Vor einem Tag bin ich noch 17 Jahre alt gewesen und nun war ich vor dem Gesetz eine vollwertige Erwachsene. Was bedeutete das für mich und mein Leben? Dass ich ab jetzt alleine Auto fahren durfte? Dass ich mir meinen eigenen Wodka im Kaufland kaufen konnte?

Ich erinnere mich noch daran, dass ich Monate nach meinem 18. Geburtstag Fremden erzählte, ich sei 17. Einfach, weil sich für mich nichts verändert hatte. Ich bin einfach so, vom einen Tag auf den nächsten, Erwachsen geworden.

Der wahre Punkt, an dem ich realisierte, dass ich kein Teenager mehr war, kam, als ich meine Sachen packte und 80 km entfernt von dem Dörfchen, in dem ich gezwungenermaßen aufgewachsen war, wegzog.
Ich bin am Abend zuvor noch mit Freunden weggegangen. Eine „Abschiedsrunde“ hatte ich es genannt.

Die Wahrheit ist, dass mir erst klar wurde, dass ich umzog, als wir am nächsten Morgen mit dem vollgepackten Van losfuhren. Ich weinte wie ein Schlosshund. Ich war nicht bereit, plötzlich weg zu sein. Für mich war das eine völlig neu Information. Warum hatte mir niemand Bescheid gesagt, dass man tatsächlich fort war, wenn man umziehen musste?
Ich heulte immer noch, als wir 1 Stunde später in meiner neuen Heimat ankamen. Genau so heulte ich, als meine Mutter mich am frühen Abend verließ und in mein früheres Zuhause zurückfuhr. Wahrscheinlich habe ich auch noch später geheult, aber man kann nur so lange weinen, bis man komplett dehydriert einschläft.

Ich war nie ein sonderlich heimatgebundener Mensch. Mein Zuhause war, auch nachdem ich von meinen Eltern auf’s Land entführt wurde, Stuttgart. Ich habe mich nie mit Weiden und Kühen identifizieren können. Ich wollte reisen, die Welt sehen und erst ein richtiges Zuhause finden, wenn ich all das gesehen habe, was ich mir sehnlichst wünschte. Trotzdem beschlich mich am Tag meines Umzuges eine plötzliche Panik. So sehr ich die Ferne suchte, ich fürchtete mich nach wie vor vor der Fremde. Ich bin kein Mensch, der sich schnell an die Fremde gewöhnt. Mich plagten die typischen Fragen eines einsamen, jungen Mädchens in der großen Stadt: werde ich Anschluss finden? Werde ich mich ohne meine Familie zurecht finden? Macht mich dieser Wandel glücklich?

Während all das passierte, fielen die Kalenderblätter. Die 18 wurde zu einer 19 und die 19 schließlich zu einer 20. In wenigen Monaten werde ich 21. Ich fühle mich immer noch nicht wie eine Erwachsene. Aber ich habe zumindest keine Angst mehr davor, es irgendwann zu werden.

Warum wollen Kinder so schnell erwachsen werden?

Ich glaube, ich war schon immer etwas seltsam.

Ich habe meine düsteren Metal-Shirts getragen, wurde aber dennoch immer „Sonnenschein“ genannt. Mein Zimmer war ein zusammengewürfeltes Chaos aus Barbies und Videospielen. Ich verziehe heute noch das Gesicht, wenn sich andere Leute in meiner Nähe küssen.

Ich glaube, ich bin nie wirklich aus meiner Kindheit heraus gewachsen. Ich liebe immer noch bunte, lustige Dinge. Ich trage am liebsten rüschige Kleider, deren Rock fliegt, wenn ich mich drehe. Ich teile mein Bett mit einem Shadow the Hedgehog-, einem Gaara- und einem Winnie Pooh-Plüschtier. Ich trage meinen Nintendo 2DS überall mit mir herum. Meine Weihnachtswunschliste besteht aus Büchern. Comics, Spielfiguren und Videospielen. Und wisst ihr was? Ich liebe mich selbst dafür. Ich habe nie verstanden, warum manche Kinder unbedingt und sofort erwachsen werden wollen. Ich schätze hier, wie in fast allen anderen Fällen, gilt – man will das, was man nicht haben kann.

Das Fernsehen lässt das Leben von Erwachsenen so glamourös aussehen – tolle Wohnungen, interessante Jobs, viele Freunde und heiße Beziehungen. Man nehme „How I met your mother“ – Ted wohnt in einer der interessantesten Städten der Welt mit seinem besten Freund zusammen. Er wechselt die Freundinnen wie andere Leute die Socken, während sein bester Freund die perfekte Frau schon mit 18 gefunden hat. 90% der Serie geschieht bei einem Krug Bier in einer Bar. Klingt das nicht fantastisch? Klar geht es auch um Herzschmerz und Zukunftsängste aber wenn man sich das große Ganze mal ansieht – hey, alles in allem ist das doch gar nicht so schlecht, oder?

Was Serien wie diese allerdings auslassen, ist der Prozess, der die Charaktere zu „echten Erwachsenen“ macht. Die Serie beginnt mit allen Charakteren am Ende ihrer Zwanziger, also sind ihre Jahre der Verwirrung größtenteils vorbei. Dabei ist ein Grundsatz der Jugend das „coming of age“, das erwachsen werden. Bereits erwachsen zu sein und von dort aus weiterzugehen ist nichts besonderes und auch nichts schmerzvolles, sondern der Weg dort hin. Jugend bedeutet jahrelanges, verwirrtes Umherwandern, das Suchen nach einem Selbst, die Angst vor der Ungewissheit. Ted hat auch Angst vor der Zukunft – aber diese Angst hängt in 90% aller Fälle damit zusammen, dass er Torschlusspanik hat. Als wäre es etwas schlimmes, mit 30 noch nicht verheiratet zu sein. Vielleicht findet dort das recht junge Publikum der Serie einen Überscheidungspunkt mit ihrer Realität: Die Angst, vor dem alt werden; die Angst, etwas zu verpassen.

Ich verstehe die Angst, etwas zu verpassen sehr gut. Schauen wir uns doch mal die Serien an, die wir alle so lieben. Ein wichtiger, oft auch der wichtigste, Grundpfeiler dieser Geschichten ist Freundschaft. Die Serie zeigt, wie Charaktere für einander da sind, zueinander halten und alles zusammen unternehmen. Man nehme „Gossip Girl“(eine Serie, in der wirklich jeder einzelne Charakter hassenswert ist). Egal was für furchtbare Dinge sich die Charaktere gegenseitig antun, sie halten dennoch immer zusammen und sind für einander da. Ist das nicht schön? Leider nicht für die armen, einsamen Tropfen (wie mich), die sich diese Serien nachts um 3 alleine anschauen.

Wie viel wert hat unsere Jugend, wenn wir keine Freunde haben, die sie mit uns teilen? Nicht jeder ist mit einem großen Freundeskreis oder einem allgemein schönen sozialen Umfeld gesegnet. Ich habe zum Beispiel bis ich 16 war keine richtigen Freunde gefunden. Die meisten Leute fanden mich und meine Hobbies (Videospiele, Comics, Filme und Musik) einfach suspekt und wollten dementsprechend nichts mit mir zu tun haben. Ich erinnere mich daran, wie ich noch jung war und mir immer ausgemalt habe, wie es wohl wäre einen großen, liebevollen Freundeskreis zu haben wie meine Lieblingscharaktere im TV zu haben.

Und was ist mit den Beziehungen? Wir Mädchen werden sowieso von Kindesbeinen an dazu konditioniert, den Traumpinzen finden und heiraten zu wollen; ich bin da keine Ausnahme. Wir haben einfach viel zu hohe Ansprüche an Liebe und Beziehungen und die meisten Serien helfen diesem Standard nicht. Ich mochte persönlich Staffel 8 von „How I met your mother“ gerne, weil zum ersten Mal in der Serie gezeigt wurde, wie hässlich sich verletzte Gefühle äußern. Mit meinen 20 Jahren hatte ich schon die eine oder andere miese Erfahrung mit Beziehungen und verstehe, wie sehr Gefühle außer Kontrolle geraten können, wenn sie verletzt wurden. Die Grenze zwischen Liebe und Hass ist so dünn, dass man oftmals gar nicht bemerkt, dass man sie bereits überschritten hat.

Geben Serien und Filme Kindern eine falsche Vorstellung vom erwachsen sein? Ich denke schon. Fiktion ist selten in der Realität geebnet, es muss immer etwas größer und dramatischer sein, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ich sage nicht, dass schöne, romantische und traumhafte Dinge nicht auch im realen Leben passieren können (ich habe zum Beispiel Freunde in meinem Alter, die fast einem Jahrzehnt zusammen und immer noch unsterblich ineinander verliebt sind), nur leider werden hohe Erwartungen quasi immer enttäuscht. So blöd es klingt, je kleiner die Erwartungen sind, desto glücklicher wird man sein.

Ja, das Leben als Erwachsener bedeutet Freiheit, Selbstbestimmung und viele spannende Erfahrungen. Zugleich bedeutet es aber auch Verantwortung für sich und andere, ernsthafte Probleme (Geld, Beziehung, Familie) und Stress. Ich persönlich würde mein Leben als Erwachsene nicht missen wollen, aber ich pflege nach wie vor meine kindliche Seele. Es gibt keinen Grund, sofort erwachsen sein zu wollen. Wachsen ist ein Prozess. Und auch ich bin noch nicht am Ziel.

Das Leben ist kein Sprint, es ist ein Marathon, man muss sich also nicht beeilen.

Wie viel Talent braucht man, um seine Träume wahr werden zu lassen?

Solange ich denken kann, wollte ich immer nur drei Dinge tun – zeichnen, Musik machen und schreiben. Ich schätze ich, so wie jedes Kind das mit MTV aufgewachsen ist (damals, als das ‚M‘ noch für Musik stand und nicht für Mist), wollte eine Sängerin werden seit ich laufen konnte. Meine Großeltern erzählen mir oft davon, wie ich mich als Kleinkind zu Straßenmusikern in die Fußßgängerzonen Stuttgarts gestellt und mitgesungen habe. Ugh. Das klingt jetzt vielleicht süß, aber würde mir heute so ein Kind unterkommen, würde ich warten, bis die Eltern sich umdrehen und den süßen Fratz dann mit einer Gitarre erschlagen (habe ich schon erwähnt, dass ich keine Kinder mag?). Der Grund dafür ist einfach – ich habe die Menschen, die ich im Fernsehen gesehen habe, imitiert; vor allem Britney Spears. Für mich sah das Leben als Popstar magisch aus mit all seinem Glanz, Glitzer und der Aufmerksamkeit.

Mit 16 begann ich, Gesangsunterricht zu nehmen. Ich habe meine Mutter seit meinem 9. Lebensjahr mit diesem Wunsch gequält, aber sie hat mich immer wieder mit der Begründung „ich müsse warten bis meine Stimme voll gereift ist, um sie zu trainieren“ hingehalten. Heute bin ich mir ziemlich sicher dass meine Mutter mich angelogen hat und mich einfach nur nicht zum Gesangsunterricht schicken wollte, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Ich fing also mit 16 an und war von Anfang an Feuer und Flamme – das kleine Problem: ich bin der unmusikalischste Mensch aller Zeiten. Nee, ernsthaft. Bis heute, fast ein halbes Jahrzehnt später (oder 4 Jahre später, das klingt aber nicht so cool) kann ich immer noch keine Noten lesen. Ich habe keine Ahnung was ein Dreiklang ist und bin mir nicht sicher ob es sich bei dem Begriff „adagio“ nicht um ein richtig leckeres Minzeis handelt. Trotzdem schaffte ich es, mich zwei Jahre lang durch den Unterricht zu flunkern ohne dass meine Lehrerin je realisierte, dass ich die Notenblätter, die sie mir immer gab, gar nicht lesen konnte und nur nach dem Klang des Klaviers sang.

Da liegt nämlich mein großes Talent – ich habe ein unerschütterliches Gehör. Ich kann mir Melodien und Texte, die ich vor 10 Jahren gehört habe problemlos einprägen und jederzeit fehlerfrei wiedergeben. Also hörte ich einfach auf die Melodie und beschummelte so eine jahrzehntelang trainierte Musiklehrerin. Das einzige, was ich heute bereue ist dass ich nicht länger damit weitermachen konnte. In meinem Abiturjahrgang musste ich leider aufhören und habe seitdem nie wieder gesungen (außer vielleicht ab und zu unter der Dusche oder in Bars wenn mir jemand Zimt Tequila andreht).

Ich erinnere mich daran, wie ich einen ganzen Sommer lang jede Nacht aufblieb, um meine Geschichten zu schreiben. Ich war vielleicht 8 oder 11 Jahre alt und, wie man sich vielleicht vorstellen kann, nicht das beliebteste Mädchen auf dem Schulhof. Der Fakt, dass meine Mutter mich anzog wie einen Cupcake hatte gereicht, um Menschen in die Flucht zu schlagen, doch gepaart mit meinem teils scheuen, teils psychotischen Charakter war ich eine Macht, die nur mit einem Level 4 Hurricane vergleichbar war. Ich fegte den Schulhof leer wenn ich in meinen Rüschenkleidern und dem Gameboy in der Hand dahergeschlendert kam. Ironisch, dass meine Mutter Katarina heißt und nicht ich.

Dementsprechend gestalteten sich meine Ferien so: aufstehen, frühstücken, Animes gucken, lesen, Mittagessen, Videospiele spielen, abendessen, schlafen gehen. Ich war immer ein fantasievolles Kind und da ich früh realisierte, dass ich wohl keine Künstlerin werden würde (mehrere Schubladen voll von Skizzen, die genau so gut von Gefängnisinsassen hätten sein können sind Beweis genug), brauchte ich einen anderen Weg, um meinen Kopf frei zu kriegen. Ich setzte mich also pünktlich um 20 Uhr jeden Abend an meinen Schreibtisch, bewaffnet mit einem DinA5 Block, einem Bleistift (meine Eltern gaben mir keine Stifte mit Tinte mehr weil ich alles damit einsaute) und einer Thermoskanne voller Zitronentee (im Juli). Manchmal schrieb ich die ganze Nacht, manchmal aber auch nur 3 Stunden. Manchmal saß ich auch nur da und träumte vor mich hin. Ich weiß, dass quasi alles, was ich damals schrieb aus heutiger Sicht Mist war. Aber ich erinnere mich an kaum einen glücklicheren Moment aus meiner Kindheit.

Als ich ungefähr 5 Jahre alt war, begann ich, „Sailor Moon“ zu schauen. Für alle die, die als Kinder keine Fernseher hatten (das ist für mich die einzige Entschuldigung, diese Serie verpasst zu haben), hier der Plot in Kurzform: Bunny, ein trotteliges, typisches, blondes und weißes japanisches Mädchen erhält die Macht des Mondes und wird so zur Superheldin Sailor Moon…und irgendwo war da noch was anderes. Irgendwas mit Katzen, Mondprinzessinnen und adrett gekleideten Männern mit weißen Masken, die absolut gar nichts vom Gesicht bedecken. Ich habe diese Serie geliebt und sie mit meiner Oma geschaut, wenn sie vom putzen und bügeln zu erschöpft war, um umzuschalten. Ungefähr ein Jahr später, ich bin mir ziemlich sicher es war September, gesellte sich eine neue Serie dazu: nämlich Pokemon. Kurze Zeit später kam Digimon dazu. Und so weiter und so fort, heute könnte ich meine liebsten Animes nicht an 20 Tentakeln abzählen.

Auf jeden Fall war ich von Anfang an komplett in den Stil, die Musik und die bunten Farben der Serien verliebt. Ich versuchte sofort, all das, was ich sah, nachzuzeichnen. Als 5-6-jährige ist man ja irgendwie auf fast alles stolz, was man macht, auch wenn es Mist ist. Meine Oma schaute mir über die Schulter, betrachtete die krackeligen Linien und schiefen Augen und machte einen letzten erfolglosen Versuch, auf Kika umzuschalten.

Was ich damit sagen will ist – Träume heißen nicht umsonst so. Heute bin ich 20 Jahre alt und – Überraschung, weder eine Mangaka noch eine Sängerin. Auch wenn ich sogar beruflich schreibe, erwarte ich nicht, jemals Thomas Mann Konkurrenz zu machen. Das traurige an großen Kindheitsträumen ist, dass sie quasi nie in Erfüllung gehen. Ich glaube jedoch, dass das nicht so schlimm ist. Es ist nie wirklich zu spät, um einen Traum zu verwirklichen und Talent ist oftmals zweitrangig neben Eigenschaften wie Leidenschaft, Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen.

Britney Spears war damals mein großes Idol, ich wollte eine Sängerin werden, genau wie sie…nur um Jahre später festzustellen, dass Britney Spears nicht mal richtig singen kann. Trotzdem ist sie noch heute einer der berühmtesten und beliebtesten Popstars aller Zeiten. Ich schätze es geht immer um Perspektive. Es gibt genug Menschen, die talentiertere Musiker sind als Brit, aber sie werden niemals so groß werden wie die ewige Princess of Pop. Und wieso? Weil sie etwas hat, was andere nicht haben – den Willen, auch ohne Talent groß zu werden. Ich bewundere sie auf eine seltsame Art und Weise. Sie gibt talentfreien Menschen wie mir die Hoffnung, einmal unsere Träume zu erfüllen. Und wenn ich schon kein Talent habe, dann will ich doch wenigstens etwas Hoffnung.

Wie viel bedeuten Worte?

Worte haben Macht. Viele Menschen begreifen nicht, wie groß diese Macht ist, wie zerstörerisch diese sein kann. Ob es nun um Streit zwischen Freunden, Familie oder Partner geht oder um Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz – bösartige Worte können schnell Bande auseinanderreißen oder das Selbstbewusstsein einer Person zerstören. Nicht umsonst wird verbale Gewalt im Gesetz geahndet. Wenn es also wirklich so ist, wenn Worte die Fähigkeit haben, zu brechen, wieso benutzen viele von uns dann noch Worte, von denen wir wissen, dass sie verletzend und diskriminierend sind?

Speziell geht es mir um die zwei Begriffe schwul und behindert. Bei beiden Worten handelt es sich um tatsächliche, beschreibende Begriffe, die für Menschen, und nur für Menschen, benutzt werden sollten. Wir alle wissen aber, das es so nicht ist. Diese Begriffe haben sowohl sozial als auch im tagtäglichen Sprachgebrauch eine extrem negative Konnotation. Das Wetter ist nicht schlecht, sondern das Wetter ist behindert, der schwierig zu öffnende Verschluss einer CD ist nicht schwierig, sondern der Verschluss ist schwul.

Diese Begriffe werden aber nicht nur gegenüber Gegenständen und Situationen benutzt, um sich über sie zu beklagen, sondern des öfteren auch gegen Menschen. „Tim, du bist so eine Schwuchtel!“, sagt sein Kumpel aus Spaß nachdem er im Fußball besiegt wurde. „Kai, du bist ein totaler Spast.“, sagt einer zu seinem schusseligen Klassenkameraden nachdem er etwas fallen gelassen hat. Es ist gar nicht kompliziert herauszufinden wieso man diese Worte diffamierend benutzt: political correctness findet seinen Ursprung zwar nicht im 21. Jahrhundert, aber unkorrektes Verhalten wurde noch vor nicht mal allzu langer Zeit kaum oder gar nicht geahndet. Der Begriff „schwul“ hatte aufgrund der Feindlichkeit gegenüber Homosexualität eine offensichtlich negative Bedeutung und etwas als „behindert“ zu betiteln, bedeutete eigentlich nichts weiter als etwas zu kritisieren, was man selbst als defekt empfindet.

Doch nun sind wir, zum Glück, in einem Zeitalter angekommen, in dem Menschen beginnen etwas mehr über das, was sie sagen, zu reflektieren. Sollten wir wirklich Begriffe wie diese, die reale Menschen in unserem Umfeld beschreiben, als Beschimpfungen nutzen? Ich glaube die wenigsten Leute meinen es tatsächlich böse, wenn sie etwas als „behindert“ bezeichnen. Aber wie bereits etabliert – Worte haben Macht. Sollte also nicht genauer darauf geachtet werden, was man sagt da all dies einen Effekt auf unsere Mitmenschen und die Sprachkultur haben könnte?

Für mich ist es das selbe wenn jemand den Vergleich „wie ein Mädchen“ beleidigend gegenüber einem Jungen oder Mann verwendet. „Benimm dich nicht wie ein Mädchen.“ Dieser Satz bedeutet kurz und knapp analysiert: Komm schon, Alter, lass dich doch nicht auf das subhumane Level einer Frau herab, pfui.

Das klingt zwar etwas überspitzt und ich sehe schon die selbst ernannten men’s rights Aktivisten in der Ferne rauchen und schreien, aber darum geht es doch eigentlich bei der Analyse von diffamierenden Begriffen – ihren Zusammenhang mit sozialer Diskrimination aufzudecken. Ich bin selbst eine Frau, dementsprechend finde ich es extrem ärgerlich, wenn jemand „…wie ein Mädchen.“ benutzt, insbesondere in Situationen, die absolut nichts mit Geschlecht zu tun haben. Was, kickt man einen Ball mit seinen Genitalien oder wieso sollen Frauen schlechter in Fußball sein? Ich hatte einen Freund, der immer extrem aggressiv geworden ist, wenn jemand das Wort „Spasti“ benutzt hat. Er hat eine behinderte Tante, die Spastikerin ist. Also kann man hier, wie in so vielen Fällen, sagen: es tut am allermeisten weh wenn es einen selbst betrifft.

Ich wette, wenn man in einem Vakuum diffamierende Begriffe wie diese benutzen würde, in dem man sicher ist, dass niemand, auf den der Begriff zutrifft, dabei ist, hätte niemand ein Problem damit, diese zu benutzen. Letzten Endes geht es doch um die eine große menschliche Regel: sei kein Arsch. Klar, es kann immer passieren, dass man jemanden aus versehen mit Worten verletzt, manchmal ist es gar keine Absicht. Aber grundsätzlich bösartige Begriffe zu benutzen um andere Menschen zu ärgern ist einfach nur gemein. Das klingt jetzt natürlich etwas nach after school special, aber auch, wenn dieses Prinzip eigentlich ganz einfach ist, viele Menschen scheinen es noch nicht zu begreifen. Das geht auf meinen „Irgendwie ist das Internet gemein“-Post zurück: manchmal trifft man auf Leute, denen es schlichtweg egal ist, wen sie verletzen.

Aber für uns Menschen mit einer Seele ist der tägliche Kampf um und mit political correctness wichtig. Ich möchte damit nicht sagen, dass ich grundsätzlich pc bin, ganz im Gegenteil. Obwohl ich mich persönlich extrem für die Rechte von Homosexuellen ausspreche, nichts gegen Behinderte habe (offensichtlich) und selbst eine Frau bin, so merke ich ab und zu, wie sich blöde Sprüche a la „Das ist doch behindert.“ in meinen Sprachgebrauch einschleichen.

Viele von uns, wenn nicht sogar die meisten, haben nicht wirklich etwas gegen das, was wir diffamierend benutzen, es ist nur derart intuitiv in unserem Vokabular eingebettet, dass es einfach ab und zu raus rutscht, ohne dass man etwas Böses damit sagen will. Grundsätzlich ist das ja nicht schlimm, man ist kein Unmensch wenn man ab und an einen Begriff wie diesen benutzt. Das entscheidende ist allerdings: kein Mensch lebt in einem Vakuum, das was er sagt und tut gerät in die Außenwelt und beeinflusst diese.

Man könnte es so vergleichen: man sieht eine Gewalttat in der S-Bahn und tut nichts dagegen. Das macht einen theoretisch mitschuldig, man zeigt dem Täter, es ist ok, da man es nicht aufhält und dadurch signalisiert, dass die Gewalttat etwas verbotenes ist. Will man also lieber weitermachen mit diesen Beleidigungen oder der Arsch sein, der anderen sagt, was sie sagen dürfen und was nicht? Ich finde man muss keins von beidem sein. Wenn man etwas für falsch hält, sollte man es nicht tun, um zu einer Gruppe zu gehören, so ganz allgemein. Das bedeutet aber nicht, dass man andere belehren darf. Man ist ausschließlich für sich selbst verantwortlich. Es reicht also, wenn man selbst auf seine Wortwahl achtet. Versucht nicht die Welt zu ändern, versucht euch selbst zu ändern.

Wie Ghandi schon so schön sagte: „Be the change you want to see in the world.“

Die Medienrevolution Teil 1: Unterhaltungsmedien und ich

Als ich ein Kind war, besaßen meine Eltern eine neuartige, bahnbrechende Technologie.
Diese bestand aus einem kastenförmigen Bildschirm, einer klapprigen Tastatur und einer Maus.
Ja, ich spreche von einem Computer. Ich saß gerne daneben, wenn meine Mutter ihn umständlich zu starten versuchte und lauschte dem nostalgischen klicken und krachen beim Dial Up. Ich war sofort davon verzaubert. Wenn meine Eltern mir ein Eis versprachen, bat ich stattdessen um eine Stunde Internet.

Ich bin 1994 geboren, irgendwo im Abgrund zwischen analog und digital.
Die neue (Unterhaltung-)Technologie war für mich wie ein wildes Tier – gefährlich, mysteriös und wunderschön. Ich erinnere mich an einen Abend, ich war 7 Jahre alt und meine Eltern hatten mir ihr Handy dagelassen, als dieses begann, ohrenbetäubend laut zu läuten. Außer mir waren nur meine Großeltern im Haus die nicht nur aufgrund ihres hohen Alters von diesem Gerät komplett verstört waren, sondern auch noch aus dem serbischen Sozialismus kamen und dementsprechend sogar noch weniger von Technik verstanden als Mini Me. Heute ist die Szene, die sich an diesem Abend ereignet hatte, unendlich lustig in meinen Augen. Wir drei standen um das Mobiltelefon herum, das unentwegt klingelte und starrten es einfach mit weit aufgerissenen Augen an. Meine Eltern hatten mir keine Anweisungen gegeben, wie man mit dieser Monstrosität umgehen sollte und als Kind, dessen einzige Anlaufpunkte für die High Tech Szene Science Fiction Comics waren, habe ich mich erst mal über das Läuten erschreckt. Wie man sich bereits denken kann, hat niemand an diesem Abend den Anruf angenommen. Der einfache Akt, die Taste mit dem grünen Hörer zu drücken, ist uns in unserer Panik gar nicht in den Sinn gekommen. Im Nachhinein stellte es sich heraus, dass es sich bei dem Anrufer um einen Telemarketer handelte und so lernte ich, niemals eine 0800-Nummer anzunehmen oder anzurufen.

Im selben Jahr, nur kurze Zeit später, erhielt ich einen Gameboy Color, eine wahrlich meisterhafte Errungenschaft der modernen Unterhaltungstechnologie. Das Gerät bestach nicht nur durch Mobilität, sondern auch durch einen farbigen Display (ein klarer Vorteil zum schwarz-weißen Vorgänger). Ähnlich müssen sich Fernsehzuschauer 1967 gefühlt haben, als ihr Bild das erste Mal farbig ausgestrahlt wurde. Seitdem waren Unterhaltungsmedien und ich unzertrennlich, ähnlich wie Brüder oder eben so unzertrennlich wie ein menschenscheues Mädchen und eine elektronische Spieldose sein konnten.

Seit 2001 hat sich viel in der Welt der Unterhaltungsmedien getan, was mich persönlich sehr freut. Ich empfinde keine Feindschaft gegenüber Technik oder denen, die sie nutzen. Auch wenn ich oft nur meine Stirn runzeln kann, wenn Kinder, die 10 Jahre jünger sind als ich, ein teureres Handy besitzen ich, so bitte ich die Kritiker, die sich mit ihren „Früher war alles besser!“- Schreien für ach so schlau halten, ganz ehrlich zu mir und zu sich zu sein. Hätte es die heutige Technologie vor 30 Jahren gegeben, hätten auch die Kritiker sie benutzt. Ist es also der Neid, der aus ihnen spricht?

Ich bin kein Anhänger des Gedankens, dass Menschen, die eine bestimmte Sache mit großer Leidenschaft verteufeln automatisch neidisch darauf sind oder es auch gerne haben wöllten. Ich verteufele auch ganz offen Religionen und auch, wenn mir ein streng katholischer Altersgenosse einst sagte ich hätte „großes Potenzial zu einer guten Katholikin“, so kommt mein Hass aus einer ganz anderen Richtung. Aber ich glaube, das leidenschaftlicher Hass doch tief aus dem Innersten eines Menschen kommt und oftmals eine extrem persönliche Sache ist. Es gibt viele hassenswerte Dinge auf der Welt, von Personen, zu Dingen zu Ereignissen; aber verschiedene Menschen reagieren mit einem ganz unterschiedlichen Level an Leidenschaft auf solche Dinge.
So können manche Leute über einen negativen Sachverhalt nur den Kopf schütteln, während andere sich wegen desselben Themas die Haare vom Kopf reißen.

Im Fall von Technikkritikern kann dies viele Gründe haben. Viele von ihnen zielen bei ihrer Kritik spezifisch auf die Nutzer der Technologie ab, oftmals Kinder. Selbst ich als Fan von Technik und Medien kriege dann und wann große Augen wenn ich einen Vorschüler mit einem iPad Air auf dem Schoß sehe. „Heute glotzen die Kinder nur noch in ihre Smartphones/Tablets/ect.“ Das mag stimmen, aber ist das unbedingt etwas schlechtes?

Die Medienrevolution Teil 2: Unterhaltungsmedien und Kinder COMING SOON

Warum wollen wir immer das, was wir nicht haben können?

Es heißt, der Mensch will immer das, was er nicht haben kann. Man könnte das Kapitel gleich schließen indem man sagt „Menschen sind irgendwie doof.“ und Unrecht hätte man mit dieser plumpen Aussage ja eigentlich auch nicht. Aber da steckt etwas mehr dahinter und wir, die wir am liebsten Dinge überanalysieren, sehen hier einen kilometergroßen psychologischen Spielplatz, auf dem es sich auszutoben gilt.

Zuerst werfe ich ein großes Stichwort in die Runde: Herausforderung. Menschen, und Männer insbesondere, werden durch Wettbewerb und Konkurrenz angetrieben. Das bedeutet, dass für uns eine besondere Magie darin besteht, um etwas zu kämpfen. Ich höre oft, dass Männer die Lust an einer Frau verlieren, weil sie nicht dazu gezwungen wurden, sie zu erobern. Ich finde das persönlich unsinnig und kindisch aber hey, vielleicht bin ich auch deswegen single. Ich finde es nämlich nicht in Ordnung, eine andere Person hinzuhalten und Spielchen zu spielen um es „interessant“ zu gestalten aber naja, reden wir ein anderes Mal über mein maues Datingverhalten. Was ich mit all dem sagen will ist: Menschen lieben Herausforderungen. Lösungsorientierte Menschen suchen nach einem Problem, das sie entwirren können. Und vielleicht suchen wir uns deswegen gerne Probleme aus, die wir lange, vielleicht sogar unser ganzes Leben lang, zu entwirren versuchen müssen.

An sich ist das ja Unfug, wieso sollte man seine Zeit und Energie verschwenden, um etwas nachzujagen, was sowieso in unerreichbarer Ferne liegt?  Der eine Traumjob, der eine Traumkerl, der Traumbody, das Traumleben. Wir erschaffen glänzende Phantasien in unseren Köpfen von etwas, was wortwörtlich unerreichbar ist und dies auch sein sollte.

Dazu mal folgendes Gedankenspiel: wir kennen alle Geschichten von Menschen, die „es“ geschafft haben. Sie haben ihre Träume wahr gemacht, haben etwas aus nichts geschaffen und sind heute larger than life. Bei all den Erfolgsgeschichten im TV, Internet und Print vergisst man aber schnell eine Grundsatzregel: die Geschichte wird von Gewinnern geschrieben. Klar gibt es einige Menschen, die sich über Hindernisse hinweg gesetzt haben und nun ihren Traum leben. Jedoch spricht niemand von der vielfachen Zahl an Menschen, die ebenfalls versucht haben, ihre Ziele zu erreichen und dabei gescheitert sind. Der Grund dafür ist klar – niemand will sich einen Verlierer zum Vorbild nehmen. Aber es ist leider so, dass die Mehrheit an Träumern irgendwann wieder auf dem Boden der Realität ankommen. Nicht jeder kann ein Bill Gates sein, sonst wäre sein Erfolg ja auch nichts besonderes mehr.

Ähnlich ist es mit den Partnern – man trifft jemanden, den man für absolut perfekt für sich empfindet aber irgendwie wird einfach nichts daraus. Liebesfilme bestärken uns darin, uns unüberwindbaren Hindernissen zu stellen inklusive dem, dass der Traumpartner vielleicht in einem anderen Land lebt oder sogar in einer Beziehung ist. Schließlich soll man für das, was man wirklich will, kämpfen, richtig? Kurz gesagt – nein. Wenn etwas richtig ist, muss man dafür nicht konstant die Zähne zusammenbeißen und kämpfen. Ist jemand in einer Beziehung, muss man den in Ruhe lassen, ob man jetzt denkt dass man viel besser zu dieser Person passt als der Partner ist komplett irrelevant. Denn so, wie man sich selbst einen Traumpartner erwählt, tut es unser Gegenüber auch und Überraschung – scheinbar ist die Wahl des Traumpartners nicht auf uns gefallen. Ich bin der festen Meinung, dass Menschen, die zusammen gehören, irgendwann auch zusammen finden. Aber man darf nichts erzwingen. Manche Sachen sollten eben einfach nicht sein, egal wie sehr man es will.

Anderes Szenario – was, wenn man den Traumtypen tatsächlich kriegt? Wir als Menschen haben oftmals komplett überzogene Anforderungen an unsere Partner, ich selbst bin genau so schuldig wie jede andere Frau, die sich den perfekten Partner wünscht. Und wenn man so über seinen Traumtypen nachdenkt, ohne ihn überhaupt richtig zu kennen oder je mit ihm zusammen gewesen zu sein, so mischt sich die Realität gerne mal mit unseren Wünschen, wie der Partner aussehen soll. Dieses Verhalten endet immer, aber wirklich immer in Enttäuschung. Denn Menschen sind einfach nicht perfekt und es ist quasi unmöglich, sie zu dem Traum hinzubiegen, denn wir in unseren Köpfen haben.

Das mit dem Traumbody ist so eine Sache. Klar könnte man den gesunden Ernährungs- und Sportplan dieses Jahr endlich mal durchziehen, aber wo soll das enden? Ein gesunder Lebensstil ist ein Kontinuum und der deutsche Normalbürger hat nunmal selten die Zeit, 5 Mal die Woche ins Fitnessstudio zu gehen und jeden Abend vegan, organisch und fettfrei zu kochen. Klar schaffen es viele Menschen, aber deren Bewunderer realisieren oftmals nicht, wie viel Arbeit, Zeit und Aufwand hinter der blank polierten Fassade steckt.

Ich schätze, wenn man sagt, dass Menschen das haben wollen, was sie nicht haben können, geht es vor allem um die Wünsche und Träume, die Menschen aus der Realität heraus fabrizieren. Nicht umsonst sind diese Dinge „TRAUM“-jobs,-partner und -bodies – sie entsprechen nur selten dem wahren Leben. Oftmals wird man, sobald man einen Traum, erreicht mit der Enttäuschung konfrontiert, dass der Traum eben doch nicht so perfekt ist, wie man es sich vorgestellt hat.
Was man dagegen tun kann?

Nur eins – mit sich und seinem Leben zufrieden sein.

600 Leben – gemeinsam Suizid verhindern

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Es gibt nur wenige Themen, die gleichzeitig so ernst und so Tabu sind wie Suizid.

Jährlich begehen 600 junge Menschen unter 25 Selbstmord.

In allen Altersgruppen sind es sogar 10.000. Das bedeutet, dass Suizid und Depressionen jährlich mehr Leben kosten als der HIV/AIDS-Virus, Verkehrsunfälle und Drogen zusammen. Das sind die Zahlen, die uns vorgelegt werden. Ziffern, mit denen wir eigentlich nichts anfangen können. Was bedeutet es genau, dass sich jährlich 600 junge Menschen das Leben nehmen?

Weltweit leiden schätzungsweise 121 Millionen Menschen an Depressionen. Es ist schwierig sich unter abstrakten Zahlen wie diesen etwas genaueres vorzustellen, also versuche ich es in Relation zu setzen: Weltweit leiden genug Menschen an Depressionen um Deutschland ca. 1,5 Mal zu bevölkern. Es leiden weltweit drei Mal so viele Menschen an Depressionen wie im Bundesstaat Kalifornien leben.

Diese Zahl, 121 Millionen, ist kaum vom menschlichen Geist erfassbar.

So viele Menschen leiden tagein, tagaus an einer Krankheit, für die es weder eine bewährte Heilung noch Toleranz gibt. Denn auch heute, mit all der Forschung und den Statistiken ist Depression immer noch das Stiefkind unter den Krankheiten.

Du bist nur etwas traurig.“, „Das ist die Pubertät.“, „Es liegt an deiner Einstellung.“, „Übertreib mal nicht.“ Das sind einige der Dinge, die vielen Betroffenen an den Kopf geworfen werden, wenn sie um Hilfe bitten oder ihre Schmerzen mit anderen Menschen zu teilen versuchen.

Jungen Menschen wird immer noch eingeredet, dass es unmöglich sei, dass sie an bestimmten Krankheitsbildern leiden. Selbst bei physischen Krankheiten wie zum Beispiel Rückenschmerzen, Migräne oder Asthma wird ihnen eingeredet, dass ihre Probleme ausschließlich psychosomatisch seien. Sie wollen nicht in die Schule, sie sind faul, sie wollen sich nicht anstrengen.

Das ist nur ein Beispiel von Vielen wie Erwachsene auf Kinder und Jugendliche hinab sehen. Ihre Leiden werden selten ernst genommen, alle Probleme werden auf die Pubertät geschoben. Und auch wenn Depressionen oft hormonell bedingt sein können, so ist das nicht der einzige Grund.

Kinder und Jugendliche werden im Alltag einem enormen Druck ausgesetzt. Der Druck, leistungsstark in der Schule zu sein, der Druck, sozial beliebt zu sein, der Druck, eine gute Tochter bzw. ein guter Sohn zu sein und der Druck gut, groß und besonders zu sein – dies sind nur einige Beispiele für den Stress, dem junge Menschen von Außen ausgesetzt sind. Ihnen werden früh Erwartungen aufgebürdet, denen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gerecht werden können. Menschen sind nicht perfekt, dennoch werden sie immer wieder dazu gedrängt, es zu sein.

Dazu kommen negative Einflüsse wie zum Beispiel eine zerrüttete Familie oder Mobbing in der Schule. All diese Faktoren können schnell das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl eines jungen Menschen zerstören. Man darf von jungen Menschen nicht erwarten, dass sie jeglichen Schwierigkeiten standhalten können und genau so gefestigt sind wie Erwachsene. Jeder Mensch geht mit seinen Problemen individuell um und viele von ihnen schaffen es nicht, sie zu verarbeiten.

Das große Problem an Depressionen und sonstigen psychischen Krankheiten ist, dass man sie nicht sehen kann. Wenn man sich etwas bricht, kann man ein Röntgenbild anfertigen lassen und schon sieht man, wo das Problem liegt. Bei psychischen Krankheiten muss man sich darauf verlassen, dass ein Facharzt den Patienten richtig diagnostiziert. Es gibt keine Maschine um in den Kopf eines Menschen zu sehen und so gibt es Menschen, selbst Ärzte, die darauf bestehen, dass die Krankheit nicht existiert bzw. dass der Patient nicht davon betroffen ist. Die Zahl an Suiziden spricht allerdings eine andere Sprache. Niemand bringt sich um weil er ein bisschen traurig oder ein bisschen gestresst ist. Die Entscheidung, sein Leben zu beenden, steht auf einem Fundament jahrelanger Schmerzen.

Es gibt kein Heilmittel für Depressionen. Aber es gibt die Chance, Betroffenen zu helfen. Der erste Schritt ist, Betroffene zu bemerken und ihnen Hilfe anzubieten. Im zweiten Schritt sollte man der betroffenen Person eine psychologische Beratung ans Herzen legen. Das Gespräch mit einer unqualifizierten Person kann den Betroffenen zwar ein wenig Last von den Schultern nehmen, aber insbesondere im Fall dessen, dass der Betroffene Medikamente benötigt (zum Beispiel Antidepressiva), kann ein Facharzt deutlich gezielter helfen.

Die oberste Regel, in allen Krankheitsfällen, ob sie nun psychisch oder physisch sind – nehmen Sie den Kranken ernst. Seine Schmerzen sind real, auch wenn Sie diese nicht sehen können. Ihm einzureden, er hätte keine Schmerzen obwohl er diese jeden Tag spürt, bürdet ihm eine zusätzliche Last auf, die er nicht tragen kann. Auf jemanden wegen seines Alters hinab zu sehen und zu behaupten, dass Schmerzen egal welcher Art altersabhängig sind, ist schlichtweg falsch; die erschreckende Zahl an Selbstmorden bei jungen Menschen bestätigt das. Ihre Hilfe, Ihre Gutmütigkeit und Ihre Fürsorge kann einem Menschen das Leben retten.

Am 10. September 2014 findet in Berlin am Brandenburger Tor die Großaktion „600 Leben“ statt. Das Prinzip ist einfach – 600 Teilnehmer lassen sich um Punkt 14 Uhr auf den Boden fallen und können nur durch die helfende Hand eines anderen Menschen wieder auf die Beine gebracht werden. Diese Aktion ist symbolisch für die Macht der Empathie, der Fürsorge und der Liebe. Jemand in Ihrem Umfeld könnte am Boden liegen und Ihre Hilfe brauchen, um wieder aufzustehen. Laufen Sie nicht einfach vorbei. Die dazugehörige Website http://www.600leben.de ruft Passanten und Interessenten bundesweit dazu auf, an der Aktion teilzunehmen und sich für das Thema Suizid stark zu machen.

Es ist unser aller Verantwortung, den Betroffenen eine helfende Hand zu reichen. Weitere Informationen über die Aktion „600 Leben“ finden Sie auf der Website http://www.600leben.de.